In diesem Artikel wird untersucht, wie sich die Korruption in osteuropäischen Staatsanwaltschaften auf Rechtshilfe- und Wirtschaftsstrafverfahren im deutschsprachigen Raum auswirkt. Dabei wird dargelegt, wie es zu korrupten Staatsanwälten überhaupt kommt und inwiefern Bestechungsgelder erhoben werden. Zuletzt wird erläutert, wie sich Staatsanwälte im deutschsprachigen Raum im Zusammenhang mit Rechtshilfe- und Wirtschaftsstrafverfahren mit Osteuropa zu verhalten haben. Veröffentlicht wurde dieser Artikel von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in der Schweiz, in der Kriminalistik im November 2011.
Im Rahmen von Rechtshilfe- und Wirtschaftsstrafverfahren haben Staatsanwaltschaften im deutschsprachigen Raum häufig mit osteuropäischen Staatsanwälten zu tun. In der Vergangenheit wurde wiederholt gerügt, dass Strafverfahren in Osteuropa anfällig für Manipulationsversuche sein könnten. Somit stellt sich die Frage, ob osteuropäische Staatsanwaltschaften Verfahren manipulieren. Folglich könnte im Rahmen von Rechtshilfe- und Wirtschaftsstrafverfahren im deutschsprachigen Raum nicht mehr ohne Weiteres auf den von osteuropäischen Staatsanwälten ermittelten Sachverhalt abgestellt werden.
Die Korruption der osteuropäischen Staatsanwälte beginnt schon in deren Ausbildung, denn gewisse Staatsanwälte haben ihren rechtswissenschaftlichen Hochschulabschluss gekauft. Auch bei der späteren Vergabe von Posten für zukünftige Staatsanwälte werden häufig persönliche Kontakte oder auch eine geldliche Leistung benutzt, um an den Posten als Staatsanwalt zu kommen. Aus diesen Gründen kann angenommen werden, dass sich für diese Posten primär Personen bewerben, die ein derartiges korruptes System gutheissen. Somit dürften die meisten osteuropäischen Staatsanwälte auch besonders anfällig für Korruption sein.
Als nächstes stellt sich die Frage, in welchem Kontext Bestechungsgelder erhoben werden. Klassischerweise kommt die Einstellung von Strafverfahren für die Erhebung von Bestechungsgeldern in Frage. Auch gibt es die Möglichkeit der Konstruktion von Strafverfahren, wobei ein Staatsanwalt ein Strafverfahren gegen einen Unschuldigen konstruiert. Am häufigsten zum Einsatz allerdings kommt die Manipulation von Strafverfahren: Hierbei verschwindet beispielsweise entlastendes Material oder Beweise werden verzerrt bzw. selektiv geschaffen.
Als Folge der Korruption der Staatsanwälte in Osteuropa müssen Staatsanwälte in deutschsprachigen Ländern den von Ihnen erhaltenen Sachverhalt stets hinterfragen, ob Sachverhalte manipuliert oder gar vollständig konstruiert worden sind. Insbesondere darf nicht ohne vorgängige Kontrolle des Sachverhalts Rechtshilfe gewährt werden. Auch in Wirtschaftsstrafverfahren ist Zurückhaltung geboten. Sollten weiterhin Unklarheiten bezüglich dieses Themas bestehen, stehen Ihnen unsere Anwälte und Anwältinnen in St. Gallen, Zürich und Frauenfeld gerne zur Verfügung.
Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt in der Schweiz, Notar in St. Gallen sowie niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein. Des Weiteren ist er als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland tätig.
Mehr zu diesem Thema finden Sie in Teichmann, F. (2021). Korruption in osteuropäischen Staatsanwaltschaften und ihre Implikationen für Rechtshilfe- und Wirtschaftsstrafverfahren. Kriminalistik, 75(11), 625–628.