de en ru it fr

Strafprozessuale Schwachstellen internationaler Wirtschaftsstrafverfahren in Liechtenstein – Implikationen für Strafverteidiger

Unsere Anwälte in Zürich, Frauenfeld und St. Gallen sind häufig mit internationalen Strafverfahren in Liechtenstein konfrontiert. Dr. Dr. Fabian Teichmann, Rechtsanwalt in St. Gallen, hat sich somit in einem Beitrag im Journal für Strafrecht mit ausgewählten strafprozessualen Schwachstellen dieser Strafverfahren beschäftigt.

Das Fürstentum Liechtenstein hat sich über Jahrzehnte einen hervorragenden Ruf aufgebaut und diesen geschützt. Weltweit ist das Fürstentum Liechtenstein als Finanzplatz bekannt. Natürliche als auch juristische Personen aus aller Welt legen ihr Vermögen in Liechtenstein an. Dabei ist Liechtenstein häufig im Rampenlicht in Bezug auf internationale Wirtschaftsstrafverfahren basierend auf ausländischen Sachverhalten.

Zur Bekämpfung der Geldwäscherei ist die internationale Kooperation für Liechtenstein von besonderer Bedeutung. Liechtensteinische Strafverfolgungsbehörden scheinen in Bezug auf die MONEYVAL-Assessements vorwiegend Strafverfahren basierend auf internationalen Sachverhalten einzuleiten. Diese Strafverfahren betreffen meist mutmasslich inkriminierte Vermögenswerte, welche aus einer vermeintlichen Vortat im Ausland stammen und in Liechtenstein angelegt werden.

In diesem Bereich nimmt Liechtenstein seine Pflichten ernst und verfolgt die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität dementsprechend. Berücksichtigt werden muss, dass bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität die rechtsstaatlichen Prinzipien gewahrt werden, welchen in jüngerer Vergangenheit von Liechtenstein nicht vollkommen nachgegangen werden konnte. Es wurden insbesondere ohne weitere Prüfung ausländischer Sachverhalte Zwangsmassnahmen vorgenommen. Unter anderem wurden Unterlagen beschlagnahmt sowie grosse Vermögen bei unzureichendem Verdacht gesperrt.

Bedenklich ist, dass ausserordentlich erfolgreiche Finanzplätze wie Liechtenstein einem erheblichen Missbrauchspotential gegenüberstehen. So sind ausländische Justizsysteme – insbesondere in Osteuropa – häufig korrupt. Beispielsweise kann die Staatsanwaltschaft in der Ukraine, Bulgarien oder Russland bestochen werden. In jenen Ländern ist die Staatsanwaltschaft teilweise bereit, gegen verhältnismässig geringe finanziellen Gegenleistungen Strafverfahren gegen politische oder wirtschaftliche Gegner einzuleiten. Dabei ist ein gewisses Schema erkennbar, welches die Staatsanwaltschaft bei der Ausübung verfolgt. Dies veranlasste durch ausländischen Verdacht, dass in Liechtenstein gerichtliche Vorerhebungen in Bezug auf Geldwäscherei iS von § 165 Abs 1, 2 und 4 flStGB geführt werden, womit öfters Verfügungsverbote und Unterlageneditionen angeordnet wurden. Der ausländische Sachverhalt wurde jeweils nach liechtensteinischem Recht bewertet. Dabei wurden häufig Verbrechen wie Untreue iS von §153 flStGB oder schwerer gewerbsmässiger Betrug iS von §§ 146, 147, 148 flStGB eingebracht.

Die liechtensteinische Staatsanwaltschaft hat sich in der Vergangenheit wesentlich auf Berichte der Financial Intelligence Unit (FIU) gestützt, was im Allgemeinen für die Entwicklung von Verteidigungsstrategien von zentraler Bedeutung ist. Um Straftaten anzunehmen und entsprechende Beschlagnahme- und Verfügungsverbote zu beantragen, waren Hinweise in der Presse ausreichend. Dies entspricht jedoch einem schweren Verstoss gegen die Unschuldsvermutung iS von Art 6 Abs 2 EMRK sowie gegen das Willkürverbot. Meldungen der Presse sollten kritisch hinterfragt werden, denn es kann nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass jene Veröffentlichungen auch wahr sind. Weiter wurde in der Vergangenheit jeweils darauf verzichtet, zu überprüfen, inwiefern die vermeintlich inkriminierten Gelder mit jenen in Liechtenstein zusammenhängen.

Für die Strafverteidigung ist geschickterweise mit einer unzureichenden Verdachtslage zu rügen. Es wird somit eine fishing expedition geltend gemacht, was einer unzulässigen Beweisausforschung entspricht. Im Grundsatz muss durch die erlangten Informationen ein Verdacht erweckt werden, dass eine Straftat begangen worden sein könnte. Bei Informationen, deren Quellen nicht vollumfänglich bekannt sind, können jedoch Recherchen der FIU in Bezug auf einen konkreten Tatverdacht ausreichen. Unsere Rechtsanwälte in Frauenfeld, St. Gallen und Zürich können Sie gerne zu diesen Aspekten beraten.

Zum Autor: Fabian Teichmann ist Rechtsanwalt und Notar in St. Gallen. Er ist als Rechtsanwalt in der Schweiz und als niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt in Liechtenstein tätig.

Teichmann, F. (2021). Strafprozessuale Schwachstellen internationaler Wirtschaftsstrafverfahren in Liechtenstein —Implikationen für Strafverteidiger. Journal für Strafrecht, 8(23), 253–262.